Bjarne Witt, Hochschule Flensburg
Drehschwingungsberechnungen (TVC) gehören zum weltweiten schiffbaulichen Standard und werden von spezialisierten Fachfirmen, Werften und Klassifikationsgesellschaften angeboten oder gefordert. Die dort durchgeführten Berechnungen basieren meist auf vereinfachten Komponentenmodellen und betrachten quasi-stationäre Lastfälle der Anlage. Für die Durchführung genauerer Vorhersagen können von Herstellern wie Vulkan, Geislinger und Anderen auch intern bekannte Materialmodelle verwendet werden, welche das tatsächliche Anlagenverhalten in verschiedensten Betriebspunkten entsprechend der Modellgenauigkeit realitätsnäher widerspiegelt. Besonders bei nichtlinearen Bauteileigenschaften, diese sind bei Produkten aus Silikon oder Kautschuk oftmals charakteristisch, kann das von Interesse sein.
Was im quasi-stationären Betrieb jedoch nicht vorgesehen wird, ist die ganzheitliche Betrachtung instationärer Einflüsse auf das System. Hier werden in der Praxis höchstens Eisklasseberechnungen anhand vereinfachter Ansätze als periodische Lastschwankungen mit sehr niedriger Frequenz durchgeführt. Entsprechend ist eine matrizenbasierte Berechnung der Schwingungsantworten nur sehr begrenzt für die Darstellung instationärer Systeme als geeignet bewertet worden. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit an der Hochschule Flensburg wurde nun simulationsbasiert der propellerseitige Einfluss variabler Last- und Trägheitsgrößen auf den Antriebsstrang betrachtet, um Änderungen in den Systemantworten zu erhalten und eine Einschätzung dieser Zustände geben zu können. Hierfür wurde mit vereinfachten Modellansätzen analysiert, welchen möglichen Einfluss das Rumpfverhalten des Schiffes im Wellengang auf den Antriebsstrang hat und durch welche Zusammenhänge dies dargestellt werden kann. Besondere erwartete Betriebsbedingungen können die Möglichkeit zur Betrachtung zeitlich veränderlicher Vorgänge in der Drehschwingungssimulation bereits sehr sinnvoll erscheinen lassen. Der Wunsch, eine Drehschwingungssimulation auch in den Schiffsmaschinensimulator der Hochschule Flensburg zu integrieren, führte bei dieser Arbeit zu der grundsätzlichen Notwendigkeit, mit dem Modell auch transiente Vorgänge im Zeitbereich abbilden zu können.
Als Ergebnis dieser Arbeit konnte festgestellt werden, dass die mechanischen und thermischen Grenzwerte der betrachteten Komponenten unter den in der Arbeit angesetzten Annahmen eingehalten wurden. Besonders in Bezug auf die Dynamik des Gesamtsystems konnten Reaktionen erkannt werden, welche je nach Größenordnungen einen Einfluss auf die Anlagentechnik wie auch auf die elektrische Systemtechnik haben können. Bei hinreichender Dynamik der Umwelteinflüsse wurden durch entsprechende Wechselwirkungen sogar Grenzwerte überschritten, die ein vollständiges Herunterfahren der Antriebsanlage herbeiführen können. Unter realen Bedingungen entspräche dies im ungünstigsten Szenario einem Stromausfall („Blackout“) und dem möglichen Kontrollverlust über das Schiff.
Um solche Ereignisse realitätsnah in die Ausbildung der Studierenden einbringen zu können, wurden im direkten Anschluss an diese Arbeit die Modellansätze mit den Firmen Geislinger und Kongsberg auf ihre Anwendbarkeit und Plausibilität besprochen und Aspekte zur Anbindung an den betriebstechnischen Simulator der Hochschule Flensburg hin kommuniziert. Hiervon erhoffen sich nun alle Beteiligten die zukünftige Optimierung des Drehschwingungs- und Antriebsmodelles des Simulators, um die Studierenden in ihrer Ausbildung im Themenbereich der Maschinendynamik und unter eingangs beschriebenen Betriebsbedingungen zu unterstützen. Vorschläge aus dem Austausch beinhalteten hier beispielsweise die Möglichkeit der Verknüpfung des Kongsberg-Simulators mit Produkten aus dem Geislinger-Portfolio und Daten von Hochschul- und Realanlagen sowie der entsprechenden Verknüpfung und Kalibrierung mit dem im zu erwartenden Vortrag vorgestellten Simulationsmodell.